
Alles Platte, oder was?
Bei der Fassadendämmung mit Wärmedämm-Verbundsystemen, kurz WDVS, begegnen uns unterschiedliche Formate der Steinwolle-Dämmstoffe: Die Dämmplatten und die so genannten Mineralwolle-Lamellen. Die Abmessungen der Dämmprodukte sind jedoch nicht das einzige Merkmal, das diese beiden Plattentypen unterscheidet. Lamellen sind nämlich keineswegs Platten, die einfach kleiner zugeschnitten wurden.
Vielleicht haben Sie es schon mal gehört: Steinwolle-Platten haben im verbauten Zustand eine waagerechte, Lamellen eine senkrechte Faserrichtung. Um zu verstehen, was das bedeutet und was das Besondere daran ist, muss man sich zunächst mit der Herstellung von Steinwolle befassen. Diese ist recht spannend und geprägt von Urgewalt und infernaler Hitze. Steinwolle besteht – was vielen immer noch nicht klar zu sein scheint – aus natürlichen Rohstoffen. Genauer gesagt aus einer Mischung unterschiedlicher Gesteine, die sich über die Jahrmillionen der Erdgeschichte gebildet haben. Spat, Dolomit und Basalt sind meist enthalten. Die genaue Rezeptur ist bei jedem Hersteller anders und in der Regel geheim wie die Coca-Cola Rezeptur.
Es wird heiß
Das Gestein wird in riesigen Öfen, so genannten Kupolöfen, geschmolzen. Sie wissen ja: Steinwolle selbst hat einen Schmelzpunkt von über 1.000°C, was sie ideal für Brandschutzanwendungen macht. Zur Herstellung der Schmelze, die wiederum für die Steinwolle-Herstellung nötig ist, sind daher weit höhere Temperaturen erforderlich. Die entstandene, glühend heiße Schmelze wird – ähnlich wie Zuckerwatte – zerfasert und mit einem Bindemittel besprüht, welches dafür sorgt, dass die einzelnen Fasern in einem dicken Vlies zusammenhalten. Der endlose, dichte Strang wird auf die erforderliche Dicke, zum Beispiel 200 mm, gepresst und in einem langen Härteofen ausgehärtet. Zu diesem Zeitpunkt liegen alle Fasern mehr oder weniger waagerecht zum Förderband. Bis hierhin teilen sich Platten und Lamellen ihre Entstehungsgeschichte.
Auf die Säge kommt es an
Nach dem Aushärten wird abgeschnitten – quasi portioniert. Nun kommt es darauf an, ob die Säge große Stücke, die Platten, oder vergleichsweise feine Scheiben, die Lamellen, gegen die Faser aus dem Dämmstoffstrang schneidet. Auf diese Weise kann bestimmt werden, ob das Endprodukt eine senkrechte oder eine waagerechte Faserrichtung hat. Außerdem wird so klar, weshalb Lamellen ihre charakteristische Struktur haben und eben nur beispielsweise 200 mm breit sind.
Kleiner Unterschied, großer Effekt
Kommen wir zu den jeweiligen Vorzügen beider Produkte, denn es gibt – wie schon gesagt – Unterschiede, die weit über das Format hinausgehen. Beispielsweise haben Platten aufgrund der waagerechten Faserrichtung eine geringere Wärmeleitfähigkeit als Lamellen (z.B. λB = 0,35 gegen 0,041 W/(m*K)). Der Grund: Luft kann zwischen den liegenden Fasern besser eingeschlossen werden, was entscheidenden Einfluss auf die Wärmedämmleistung hat. Dafür zeichnen sich Lamellen durch eine höhere Querzugfestigkeit aus. Die „stehenden“ Fasern lassen sich nicht so einfach auseinanderreißen wie die „liegenden“. Das hat zur Folge, dass mit Lamellen auch ausschließlich geklebte Fassadendämmsysteme möglich sind – vorausgesetzt die jeweiligen Randbedingungen, zum Beispiel der Windsog, lassen das zu. Platten müssen hingegen immer mit mindestens vier Dübeln/m² gesichert werden.
Neben den Unterschieden gibt es jedoch auch Gemeinsamkeiten. Den Brandschutz zum Beispiel, bei dem beide Formen der Dämmung keine Abstriche machen. Außerdem können beide Fassadendämmprodukte schon ab Werk haftbeschichtet werden, wodurch eine bessere Putzhaftung gewährleistet wird. Beide sind diffusionsoffen (siehe Kolumne „Die atmende Wand“) und im System unempfindlich gegen Feuchtigkeit. All das ist auf die gemeinsame Entstehung zurückzuführen.
Zum Schluss noch eine wissenswerte Kleinigkeit: Brandriegel werden – anders als vielleicht vermutet – in der Regel nicht aus Lamellen hergestellt, sondern aus Platten mit waagerechter Faser geschnitten. Warum? Nur so schafft man es, auf einen mit EPS vergleichbaren Wärmedämmwert zu kommen, damit das gesamte Fassadensystem einen einheitlichen Wärmedurchgangswiderstand hat. Auf diese Weise werden Abzeichnungen des Brandriegels (siehe Kolumne „Versenkt und verputzt“) durch Algenbildung effektiv verhindert.
![]() | Unser Autor Michael Leibold ist Produktsegmentmanager WDVS, Flachdach & Blowing Wool bei Knauf Insulation. In seiner Fachkolumne „Hinter der Fassade“ beleuchtet er Themen aus dem Fassadenbereich und erläutert Lösungen für branchenbekannte Herausforderungen. Mehr unter: www.knaufinsulation.de/hinter-der-fassade |
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