Kein Thema wurde in den vergangenen Monaten hitziger diskutiert als die Wärmewende bzw. die Novelle des GEG, nach dem Gebäude in Zukunft möglichst mit 65 % regenerativer Energie beheizt werden sollen. Für Millionen Immobilieneigentümer bedeutet der eingeschlagene Weg einen Wechsel von Gas- oder Ölheizungen hin zu Wärmepumpen, die im besten Fall mit grünem Strom betrieben werden. Völlig außer Acht gelassen wurde in der gesamten Zeit die Energieeffizienz der Gebäude. Mehr noch: Es wurden sogar immer wieder Stimmen laut, die postulierten, auch alte Gebäude mit unzureichend geschützter Gebäudehülle könnten problemlos mit Wärmepumpen geheizt werden. Eine gefährliche Behauptung.

Energieverschwendung
Egal ob Wärmepumpe oder Gasheizung: Die beste Energie ist die, die nicht verbraucht wird. Das funktioniert im Fall der Heizenergie jedoch nur, wenn sie nicht ungehindert durch unzureichend gedämmte Dächer, Decken und Wände oder undichte Fenster entweichen kann. Lückenhafte Gebäudehüllen stellen die moderne Heiztechnik Wärmepumpe mit vergleichsweise geringen Vorlauftemperaturen vor besondere Herausforderungen.
„Was in einem nach neuesten Standards gebauten oder fachgerecht energetisch modernisierten Gebäude sehr gut funktioniert, kann im Bestand kläglich scheitern, sobald die Gebäudehülle nicht zur Heiztechnik passt – und umgekehrt“, erklärt Markus Elsperger, Mitglied der Geschäftsleitung bei Knauf Insulation. Die Folge: Die Wärmepumpe braucht zusätzlichen Strom, um die erforderliche Heizleistung zu erbringen und den Wärmeverlust über die Gebäudehülle auszugleichen. Bei den deutschen Strompreisen, die aktuell die zweithöchsten in Europa sind, kann das leider schnell zur Kostenfalle werden.

Der Bestand
Die große Herausforderung in Deutschland ist, dass der deutsche Gebäudebestand nicht annährend bereit ist für niedrige Vorlauftemperaturen wie die einer Wärmepumpe. Das Forschungsinstitut für Wärmeschutz München (FIW München) und das Institut für Energie und Umweltforschung (IFEU) zeigen in einer aktuellen Studie, dass nur etwa die Hälfte der Gebäude für den Betrieb einer Wärmepumpe geeignet ist.
Der Grund: Die Effizienzklassen der Häuser sind zu schlecht. Es wird zu viel Energie pro Quadratmeter und Jahr verbraucht. Schon ab der Effizienzklasse D, also ab einem Energiebedarf von mehr als 100 kWh/(m²·a), arbeitet die Wärmepumpe laut den Forschern nicht mehr wirtschaftlicher als eine fossil befeuerte Heizung. Sie schafft es dann an kalten Tagen nicht mehr, der Umgebung genügend Wärme zu entziehen, die für die Beheizung benötigt wird.

Bildquelle: VDPM - Verband für Dämmsysteme, Putz und Mörtel e.V.
Die Folge: Zusätzlicher Strom muss genutzt werden, um die erforderlichen Vorlauftemperaturen der Heizung zu erzeugen. Da nicht beliebig viel Strom erzeugt und zu den Verbrauchern transportiert werden kann, muss dieser Umstand zwingend in der Planung weiterer Schritte der Wärmewende berücksichtigt werden.
Effizienz steigern
Wie viele Ein- und Zweifamilienhäuser in die Effizienzklasse D und schlechter gehören, bezifferte das Bundeswirtschaftsministerium im Jahr 2020 in der „Langfristigen Renovierungsstrategie der Bundesregierung“. Das Ergebnis ist ernüchternd: 80 %. Nur 20 % des Ein- und Zweifamilienhausbestands gelten als „Niedertemperatur-ready“, weil sie die Klasse A+ bis C erreichen. Darauf weist auch der Verband für Dämmsysteme, Putz und Mörtel e. V. hin und betont, dass die Wärmewende nur im Zusammenspiel von Wärmeschutz, Heiztechnik und regenerativen Energien gelingen kann.

Bildquelle: VDPM - Verband für Dämmsysteme, Putz und Mörtel e.V.
Wie Gebäude hinsichtlich ihres Heizenergiebedarfs effizienter werden können, ist weder ein Geheimnis noch eine neue Erkenntnis. Bereits im Jahr 1977 trat die erste Wärmeschutzverordnung in Kraft, die später durch die Energieeinsparverordnung (EnEV) und unlängst durch das Gebäudeenergiegesetz (GEG) abgelöst wurde. Alle Verordnungen machten Vorgaben für den Mindestwärmeschutz von Bauteilen, die mit geeigneten Dämmmaßnahmen eingehalten werden konnten. Deutsche Gebäude wurden seit den 1970er-Jahren auf diese Weise sukzessive energieeffizienter.
Die Bauphysik gilt weiterhin
Dass zunächst die Gebäudehülle effizient werden muss, bevor eine Heizung richtig dimensioniert werden und effizient arbeiten kann, ist seit Jahrzehnten ein unwidersprochener Leitsatz im Bauwesen. „Zuerst die Hülle, dann die Heizung – das war in der Bauwelt über Jahrzehnte eine Art Grundformel für die Modernisierung von Gebäuden“, erklärt Markus Elsperger. „Auf diese Weise entsteht ein perfektes Zusammenspiel von schützender Gebäudehülle und energieeffizienter Heiztechnik.“ Die Begründung lässt sich einfach aus der Bauphysik ableiten.

Bauteile wie Dächer und Wände mit einem niedrigen Wärmedurchgangswiderstand RT verursachen hohe Transmissionswärmeverluste durch Wärmeleitung. Der Einbau von Bauprodukten mit einem niedrigen Wärmedurchgangskoeffizienten (U-Wert) – zum Beispiel Dämmstoffen – reduziert die Wärmeverluste und entlastet so die Wärmeerzeuger im Gebäude. An diesen Fakten der Bauphysik ändert die Art der Wärmeerzeugung nichts – auch wenn das insbesondere von fachfremden Kommentatoren in der politischen Debatte suggeriert wird.
Keine Wärmewende ohne effiziente Gebäude
Betrachtet man den Zustand des Gebäudebestands und das Zusammenspiel von Wärmeerzeugung und Wärmeverlust, führt kein Weg an einer konsequenten Wärmeschutzoffensive vorbei. Doch nach wie vor sind die Sanierungsraten in Deutschland zu gering, um den Gebäudebestand in absehbarer Zeit in der Breite auf ein besseres Niveau zu heben. Gleichzeitig steigt der Druck: Im März 2023 hat sich das EU-Parlament für strengere Anforderungen an die Energieeffizienz von Gebäuden ausgesprochen. Bis 2030 sollen Gebäude mindestens die Energieeffizienzklasse E und bis 2033 die Energieeffizienzklasse D erreichen. Verhandelt wird nun mit den EU-Mitgliedsstaaten über die Ausgestaltung des Vorhabens. 68 % der deutschen Ein- und Zweifamilienhäuser erreichen diesen Standard laut Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) aktuell übrigens nicht.
Die Sanierungsquote, der entscheidende Indikator für den Fortschritt der Modernisierungsbemühungen, verharrt gleichzeitig seit Jahren bei mageren 1 %. Das heißt: Nur eines von hundert zu sanierenden Häusern wird in Deutschland pro Jahr auf einen zeitgemäßen energetischen Standard gebracht.

Lösungen drängen
Fest steht somit: Ohne einen drastischen Anstieg der Modernisierungsraten im Wohnungs- und Nichtwohnungsbau kann Deutschland an solch ehrgeizigen Zielen krachend scheitern. Fest steht auch: Ohne das Handwerk wird keines der Vorhaben gelingen – weder die Gebäudemodernisierung mit Dämmmaßnahmen noch die Wärmewende mit erneuerbaren Energien. Und das Handwerk, das seit kurzer Zeit – wie die gesamte Baubranche – einen Einbruch der Auftragslage erlebt, steht immer noch vor einem ungelösten Fachkräftemangel. Ein kühler Kopf wird nötig sein, um die Herausforderungen Schritt für Schritt zu lösen – von der Unterstützung der ausführenden Handwerker über die Ertüchtigung des Gebäudebestands bis hin zur Wärmewende. Die Bauindustrie packt gerne mit an und versteht sich nach wie vor als Ermöglicher der Energiewende. Baustoffhersteller, Fachhändler, Planer und Fachunternehmer sind ein eingespieltes Team, wenn es um die Bewältigung großer Aufgaben geht.
Für ein effektives Vorankommen ist jedoch ein klarer Kurs mit realistischen Zwischenzielen nötig, der weder die Handwerker noch deren Auftraggeber überfordert. Hier zeigt sich eine Schwäche des aktuellen politischen Kurses, der zweifellos ein ehrenwertes Ziel verfolgt, jedoch auch durchaus diskussionsbedürftige Maßnahmen umfasst.
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